Dallas Buyers Club ✍

Seit 22.07.14 auf DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.

Der Texaner Ron Woodroof (Matthew McConaughey) entspricht dem typischen Klischee eines allein stehenden Mannes, Anfang 40, der seine Freizeit bevorzugt beim Rodeo, mit Drogen, Alkohol und Huren im Kreis seiner männlichen Kumpels verbringt – homophob, kleinkriminell, egoistisch – kurz, ein unsympathisches Arschloch. Für einen solchen Mann ist die Diagnose „Aids“ mehr als ein Todesurteil – es erschüttert ihn in den Grundfesten seiner Haltung. Doch nicht nur für ihn galt Aids 1985 noch als reine „Schwulen“-Krankheit, wie der Film zu Beginn mit einer Zeitungsmeldung über Rock Hudson deutlich werden lässt, eines der ersten prominenten „Aids“-Opfers, dessen homosexuelle Neigung dadurch erst bekannt wurde und das Vorurteil noch bestätigte.

Dallas Buyers Club erzählt keine fiktive Geschichte, sondern begibt sich in die Anfänge der Krankheit, die erst 1981 als solche offiziell anerkannt wurde, um anhand der schillernden Figur Woodroof eine Situation zu beschreiben, die nicht nur von Unsicherheit über die Verbreitung und Auswirkungen der Krankheit geprägt war, sondern geradezu hysterische Ausmaße annahm, als die Todesrate rapide anstieg und hilflose Ärzte keine wirksame Methode dagegen kannten. Ron Woodroof wird entsprechend mit der Diagnose konfrontiert, in spätestens 30 Tage zu sterben, was der Film plakativ mit der Einblendung der verstrichenen Tage verdeutlicht, die erwartungsgemäß weit über die 30 hinausgehen.

Denn anstatt sich auf seinen nahen Tod vorzubereiten, packt Woodroof die Angelegenheit in der ihm eigenen Art an – respektlos, immer auf seinen Vorteil bedacht und ohne sich um irgendwelche Gesetze zu scheren. Während in den USA noch Testreihen durchgeführt werden, als Voraussetzung für die Zulassung von Medikamenten, erfährt er durch einen mexikanischen Arzt von wirksameren Heilmitteln und beginnt sie über die Grenze zu schmuggeln. Da er sie in den USA nicht verkaufen darf, deklariert er sie als Eigenbedarf und verschenkt sie an Mitglieder des „Dallas Buyers Club“, die dafür einen anständigen Monatsbetrag bezahlen müssen. Die Idee stammt nicht von Woodroof selbst, auch in anderen US-Städten entstanden ähnliche Clubs, die Hilfe innerhalb eines emotionalen Chaos versprachen, das erst eine Story wie in Dallas Buyers Club ermöglichte.

Um die Fallhöhe der charakterlichen Wandlung Woodroofs noch zu betonen, hielt sich das Drehbuch nicht an die Realität. Während der echte, bi-sexuell veranlagte Woodroof vor Ausbruch seiner Krankheit Kontakte zu Homosexuellen hatte, sollte sich die Filmfigur vom homophoben Rodeo-Fan zu einem toleranten Menschenfreund wandeln, wofür ihm mit dem Transvestiten Rayon (Jared Leto) ein Partner zur Seite gestellt wurde, den er erst verabscheut, um später dessen Tod zu beweinen. Gemeinsam mit Jennifer Garner als Ärztin, die weniger an gesetzlichen Regelungen, als an den erkrankten Menschen interessiert ist, bilden McConaughey und Jared Leto ein großartig agierendes Trio, dass die Story überzeugend trägt, diese gleichzeitig aber von der generellen Ausgangssituation der 80er Jahre entfernt.

Der Film basiert zwar auf wahren Begebenheiten, beschränkt sich aber auf die individuelle Situation der im Mittelpunkt stehenden Figuren. Von der damaligen allgemeinen Panik vermittelt der Film höchstens eine Ahnung, stärker bleibt der zwar konsequent schräge, aber anpackende Charakter Woodroofs in Erinnerung, der der Story trotz aller Tragik und Ressentiments jederzeit einen optimistischen Charakter verleiht. Dallas Buyers Club wurde so zum klassischen Schauspieler-Kino, verpasste darüber hinaus aber die Gelegenheit einen tiefer gehenden Blick auf eine Krankheit zu werfen, die die westliche Sozialisation verändern sollte.