Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones ✍

Seit 27.03.2015 auf DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.

Liam Neeson befindet sich auf einem Karrierehoch und noch nie war er als Hauptdarsteller so präsent wie in den letzten zehn Jahren. Dabei scheint er immer wieder dieselben Rollen zu spielen bzw. wichen seine Figuren im jüngsten Zeitraum nie besonders stark von einander ab. Sei es Bryan Mills aus der Taken-Reihe, der vermeidlichen Dr. Martin Harris aus Unkown Identity oder Jimmy Conlon in Run All Night, er hat den harten schnellen und unerbittlichen Kämpfer auf sich gemünzt. Diese Formel scheint ihm und dem Publikum Spaß zu machen, denn die Kasse scheint jedes Mal zu stimmen.

Auch bei Ruhet in Frieden wurde der irische Schauspieler in seiner neuen Paraderolle beworben, was auch nicht ganz unehrlich ist, aber dennoch nicht den Ton des Films trifft. Man spürt die gesamte Zeit über, dass er jeden Gegner in wenigen Sekunden ausschalten könnte, aber er macht wenig davon Gebrauch und darauf zielt Regisseur und Drehbuchautor Frank Scott auch nicht ab. Die Figur Matt Scudder ist ein privater Ermittler ohne Lizenz. Er untersucht eine brutale Entführung- und Vergewaltigungsserie, bei der Angehörige von Kriminellen zu den Opfern erkoren werden und dabei einen qualvollen Tod finden. Die Geschädigten sind keine Taschendiebe, sondern große Nummern im organisierten Verbrechen, weshalb Scudder diesen Auftrag zuerst ablehnt. Als er die besondere Rohheit des Vorgehens der Entführer erkennt, tritt er dennoch in die Dienste der Unterweltbosse und versucht den Wahnsinn zu ergründen.

Die Welt des von Neeson verkörperten Ex-Cops ist farbarm. Regen und Dunkelheit wechseln sich ab, die Sonne scheint nie in diesem Krimi und wenn, dann fällt es nicht auf. Die Informationssammlung des einsamen Schnüfflers erinnert inszenatorisch an 70er-Jahre-Krimis und erreicht durchweg eine gleichwertige Spannung. Es gibt keine Plottwists oder Highlights, der Film verläuft auf einer Ebene ohne beliebig oder ereignisarm zu wirken. Für einen Straßenjungen entdeckt er seine soziale Ader, was anfangs etwas zu unglaubwürdig scheint, sich aber als wichtige Komponente im Handeln und der eigenen Vergangenheit des Underdogs erweist. Der zweite Sidekick an seiner Seite ist inhaltlicher Natur und nennt sich 90er Jahre. Ein Großteil der Handlung spielt 1999, kurz vor dem Millennium. Darauf wird auch in Zeitungsausschnitten und Graffitis zu jeder Zeit hingewiesen. Scudder gehört zum alten Eisen. Er ist ein John McClane, ein Harry Callahan, der Held einer analogen Dynastie. Mit moderner Technik ist ihm nicht geholfen und so ist sein Kommunikationsmittel Nummer eins eben die Telefonzelle. Als „Runnig Element“ wird dieser Umstand wiederholt eingebaut um zu verdeutlichen das ein Zeitalter durch ein moderneres abgelöst wird. Gleichwohl bleibt die alte Schule die erfolgreichere und so ist der Spaziergang durch die Grabsteine eine schlichte und schöne Reminiszenz an die amerikanischen Kriminalfilme der U-90er.

Scott Frank liefert bei seinem zweiten abendfüllenden Film als Regisseur eine gute Arbeit ab. Liam Neeson passt hervorragend in den Hauptcharakter, auch wenn seine Auftritte in diesem Profil mittlerweile reichlich inflationär sind. Trotzdem hebt er sich von dem mürrischen Schlägeronkel ab und entfaltet sogar eine warme Seite. Frank sammelte bislang als Autor Lorbeeren und wurde für sein Script zu Out of Sight für den Oscar nominiert. Sein Spezialgebiet liegt dabei auf der Konvertierung von Romanen zu Drehbüchern. In diesem Fall war es Lawrence Block, der die literarische Grundlage verfasste. Matt Scudder tritt in einer eigenen Krimi-Roman-Reihe auf und ist nicht der einzige amerikanische Buch-Kultcharakter den er erschaffen hat. Er war auch selbst als Autor für den Film aktiv und schrieb für Tobe Hoopers 1981er Schlachtplatte Das Kabinett des Schreckens und 1990 für die Alber Pyun-Variante von Captain America das Script. Diese verrückte Mischung seines Schaffens sollte aber keinen falschen Eindruck über den Matthew Scudder-Einsatz hervorrufen. Der ist nämlich herrlich düster, nüchtern, einfach und genial.