Bei Anruf Mord ✍

Alfred Hitchcock gehört fraglos zu den einflussreichsten und beliebtesten Filmemachern aller Zeiten. Dies wurde vor allem auf der Hitchcock-Tagung, welche vom 19.06.14 – 21.06.14 in Dresden stattfand, wieder einmal deutlich. Egal ob es die Erzählweise ist, die Nutzung der Kamera, die Musik oder das Casting der Darsteller, nahezu alle Punkte wurden ausreichend behandelt, so dass sich das Bild des Meisters merklich im Kopf des Tagungsteilnehmer formen konnte. Aber auch einzelne Filme wurden beleuchtet, so auch Hitchcocks Dial M for Murder ein Werk, welches Hitch selbst nicht sonderlich gut leiden kann, beim Publikum aber auf große Gegenliebe stieß.

Bei Anruf Mord ist fraglos ein Streifen, welcher die bekannten Muster und Handschriften des Meisters spürbar erkennen läßt. Wie in so manch anderem Filmen aus seinem Fundus, erzählt uns Alfred von dem Versuch eines „perfekten Mords“. Diesen möchte nämlich Tony an seiner Frau Margot durchführen, welche ihn betrügt. Bis ins kleinste Detail hat er seine Tat durchdacht, doch als diese ausgeführt werden soll, geht einiges schief, so dass letztendes nicht Margot tot am Boden liegt, sondern Swann, der für Tony die Tat ausführen sollte. In Windeseile erspinnt Tony daher einen neuen Plan, seine Frau ans Messer zu liefern und wieder türmen sich plötzlich die Probleme, als sich Chief Inspector Hubbard an seine Fersen heftet…

Und Hitchcock hat wirklich an alles gedacht. Auch wenn die Geschichte, welche auf einem berühmten Bühnenstück basiert, um den betrogenen Ehemann der seine Frau umbringen will, heutzutage wie ein alter Hut wirkt, so war diese für seine Zeit bestes Thrillermaterial, das auf der großen Leinwand für Spannung bis zum Schluss gesorgt hat.

In der Hauptrolle von Margot ist dabei einmal mehr Grace Kelly zu erblicken, welche ihrem Charakter eine unberechenbare Grazie verleiht und deutlich macht, warum Hitchcock gerade sie so bevorzugt hat. Mit schlichter Eleganz und großer Einfühlsamkeit in ihre Rolle, legt Kelly eine wunderbare Performance aufs Parkett. Dazu Ray Milland als betrogener Ehemann und Robert Cummings in der Rolle von Mark, Margots Liebhaber. Hier hat man es wirklich mit großartigen Schauspielkino zu tun, welches man nicht vermissen möchte.

 

Doch die Darsteller stellen nur ein Zahnrad dar, welches das Uhrwerk Hitchcock, ein ums andere Mal, so sauber ticken lässt. Auch der ganze Filmaufbau tut hier sein übriges. Am Anfang denkt man eigentlich nicht wirklich an etwas Böses. Mann weiß zwar, dass etwas Geschehen wird, doch zunächst wirkt die Welt heil und erst langsam fängt deren Fassade an zu bröckeln. Wir erfahren was Tony zu seinem Plan treibt und minutiös wird uns erläutert, wie das ganze Treiben von statten gehen soll. Und auch wenn wir es bei ihm mit dem Bösewicht der Geschichte zu tun haben, fiebern wir mit ihm mit und wollen genau sehen, ob das Unterfangen funktionieren wird oder nicht. Und so sehr man es auch versucht, man wird zunächst kaum eine Lücke finden, welche das Geplante zum Scheitern verurteilen könnte. Doch nach ziemlich der Hälfte des Films sehen wir dann, dass dem so ist. Ganz ähnlich wie in Psycho, wo unserer hauptsächlichen Identifikationsfigur auch schon nach der Hälfte das Licht ausgeknipst wird. Kurzum, Hitch zeigt einmal mehr was es heißt, den Zuschauer an der Nase herum zu führen.

 

Hinzu kommt die meisterliche Ausstattung des Ganzen. Zwar spielt der Film, ähnlich wie z. Bsp. in Cocktail für eine Leiche, nahezu ausschließlich in einer einzigen Location, doch der Detailreichtum der Räumlichkeit ist unverkennbar. Man könnte fast meinen, dass zu einem detaillierten Plan auch eine detaillierte Ausstattung gehört, so wunderbar ist diese hier, einmal mehr, ausgefallen. Und diesesmal musste Hitch bzw. sein Ausstatter sogar ganz besonders darauf achten, welchen Gegenstand er wo platziert, denn Bei Anruf Mord ist sein erster und einziger Ausflug in die dritte Dimension. Hitchcock verachtete diese Technik zwar, doch aufgrund einer Vertragsklausel zwischen ihm und Warner, kam er um den 3D-Dreh nicht drumherum. Und somit ist die Räumlichkeit des Bildes selbst im flachen Zustand gut erkennbar und der ein oder andere Pop-Out Effekt, wie die ausgestreckte Hand von Grace Kelly als sich diese im Todeskampf befindet, ebenfalls. Sprich selbst in den Dingen, welche dem Meister sonst nicht liegen bzw. welche er sogar regelrecht verachtet, hat er ein gewisses Händchen bewiesen, so dass er seiner eigenen Marke gerecht bleibt.

 

Somit kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass Bei Anruf Mord, auf der langen Liste der guten Filme Hitchcocks, seine Daseinsberechtigung hat. Auch wenn der Regisseur den Film eher als Auftragsarbeit ansieht und sich zudem nur widerwillig mit einer Technik auseinander setzen musste welche er nicht mochte, so besitzt Dial M for Murder alles, was zur Marke Hitchcock dazugehört. Eine ausgeklügelte Geschichte die bis zur letzten Sekunde spannungsgeladen ist und munter einen Haken nach dem anderen schlägt. Dazu großartig agierende Schauspieler, eine kriminalistisch dichte Atmosphäre, sowie eine Ausstattung, welche dem Detailreichtum des Filmes die Krone aufsetzt. Mag sein, dass der Streifen im Vergleich letztendlich dennoch nur ein Hitchcock unter vielen ist, doch hätte Hitch in seinem Leben nur diesen einen Film auf die Beine gestellt, er wäre als unumstößliches Must-See in die Filmgeschichte eingegangen.