Meine teuflischen Nachbarn ✍

Schon der Filmtitel „The ‚Burbs„, der klingt, als rülpst Jemand die Bezeichnung für „Vorstädter“ heraus, war eine Steilvorlage für Regisseur Joe Dante, dessen Filme schon immer von der genauen Beobachtung us-amerikanischer oder generell menschlicher Eigenarten lebten. Seine anarchischen Gremlins („Gremlins“ (1984)) mischten nicht zufällig die Einwohner einer Kleinstadt auf, aber in „The ‚Burbs“ (Meine teuflischen Nachbarn) brauchen die Bewohner der Vorort-Villensiedlung keine kleinen Monster mehr – sie erledigen die Sache lieber gleich selbst. Als Anlass genügt der Einzug neuer Nachbarn, die nicht ganz dem gewohnten Bild typischer weißer US-Bürger entsprechen, denn die Klopeks stellen sich nicht vor, laden Niemanden ein und gesellen sich nicht zu den regelmäßigen Barbecue-Partys. Kurz, Niemand weiß wer sie sind und das macht sie schon verdächtig.

Dabei ist die Nachbarschaft keineswegs homogen. Ray Peterson (Tom Hanks) ist ein freundlicher Zeitgenosse und junger Familienvater, der am liebsten seine Ruhe haben will. Die Vorstellung seiner Frau (Carrie Fisher), etwas in seiner einwöchigen Urlaubszeit zu unternehmen, missfällt ihm – lieber will er zu Hause rumhängen. Sein Nachbar Art (Rick Ducommun) ist dagegen deutlich aktiver, auch wenn das seiner Leibesfülle nicht sofort anzusehen ist. Da er seine Frau für ein paar Tage in Richtung Schwiegermutter losgeworden ist, sinnt er auf Abwechslung und was liegt da näher, sich einmal der geheimnisvollen neuen Nachbarn anzunehmen. Eine Bresche, in die Vietnam-Veteran und Patriot Mark Rumsfield (Bruce Dern) sofort springt, denn der Ex-Militär verfügt nicht nur über die notwendige Überwachungstechnik und Bewaffnung, es gibt nichts Schöneres für ihn, sie auch anzuwenden.

Neben diesen Protagonisten leben hier noch die leicht geschürzte Ehefrau mit rosa Pantoffeln, der junge Rock-Fan, der gerne Partys feiert, und der Rentner mit Mini Hund und gepflegtem Rasen. Quasi ein statistischer Querschnitt prototypischer Vorortbewohner, der aber auch deutlich werden lässt, dass es Dante nicht um eine einseitige Abrechnung mit dem sogenannten Spießertum ging. Einzeln begegnet der Film seinen Figuren, die sich im Alltag keineswegs einig sind, mit Sympathie, gesteht Jedem seine Eigenarten zu, aber geballt werden sie zu einer unberechenbaren Gefahr, gegen die auch keine Stimme der Vernunft hilft. Dabei verzichtet der Film auf herablassende oder diffamierende Sätze – sowohl gegen die Alt-Einwohner, als auch gegen die neuen Nachbarn – sondern schildert eine Situation der Leere, die gefüllt werden muss.

Als der Rentner plötzlich ohne ihr Wissen verschwindet und nur sein verwahrloster Hund zurückbleibt, gibt es dafür nur eine Erklärung – das waren die neuen Nachbarn. Plötzlich entwickeln die sonst so unterschiedlichen Männer eine gemeinsame Energie, steigern sich in immer krudere Theorien und nehmen jeden kleinen Anlass dafür als Beweis. Geschickt manipuliert der Film dabei auch den Betrachter, der die Ansichten der Männer keineswegs von sich zu weisen in der Lage ist und mit in ihre Machenschaften einbezogen wird, denn die die sonst so gesetzestreuen Zeitgenossen wollen der Sache auf den Grund gehen – und dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Zudem verhalten sich die drei neuen Nachbarn auch wirklich seltsam – da kann doch einfach etwas nicht stimmen.

Die Auflösung des Films ist umstritten, da sie in ihrer kritischen Ausrichtung nicht konsequent wirkt, aber das hieße den zwischen Komik und Spannung switchenden Film (und Dante) misszuverstehen. Tom Hanks agiert hier wie gewohnt als Sympathieträger und auch die anderen Nachbarn sind keine degenerierten „Rednecks“, sondern ganz normale Zeitgenossen mit us-spezifischen Macken, die in abgewandelter Form auch in Europa und sonstwo anzutreffen sind. Es ist das Zusammenspiel aus der Inhaltsleere eines geregelten Leben und dem Wunsch nach vermeintlicher Sicherheit, gepaart mit der Angst vor Fremdem, der hier eine unheilvolle Dynamik entwickelt – und es wird wenige Betrachter geben, die sich diesem Sog entziehen können.

Edit: Wer sich intensiver mit dem filmischen Wirken des Regisseurs beschäftigen möchte, dem sei die erste deutschsprachige und ausführliche Veröffentlichung JOE DANTE – SPIELPLATZ DER ANARCHIE empfohlen. Dort finden sich Besprechungen zu allen Filmen und Serienepisoden, die der Schöpfer von GREMLINS 1 + 2 inszeniert hat, sowie ausführliche Aufsätze und Analysen, die sich mit bestimmten Aspekten und Teilen seines Gesamtwerkes auseinandersetzen. Sofia (Aufsatz: Television Dream Screens: Reality Takes a Holiday – Darstellungen des Fernsehens in den Filmen von Joe Dante), Bea (STARSHIP OSIRIS 1998), Loonen (GREMLINS 1984)  und Udo (REBEL HIGHWAY – WILDE TÖCHTER 1994, PICTURE WINDOWS – LIGHTNING 1994 und THE SECOND CIVIL WAR – DIE KRIEGSMACHER 1997)  sind neben vielen anderen Autoren mit Beiträgen in der Veröffentlichung aus dem Hause Bertz + Fischer zu finden. Herausgegeben wurde der Titel in der Reihe Cinestrange von Michael Flintrop, Stefan Jung und Heiko Nemitz.