Story: Vier Männer, die sogenannten Libertins unterzeichnen ein Regelwerk darüber, wie sie ihre Opfer – vier Soldaten, neun Mädchen und neun Jungen im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren – foltern wollen. Als das Martyrium für die Gepeinigten begonnen hat, fügen diese sich schnell in ihr Schicksal. Sie werden gefangen in sogenannten Höllenkreisen, in denen sexuelle Praktiken vollzogen und unvorstellbare Grausamkeiten begangen werden. Unterstützung bekommen die Libertins dabei von vier Frauengestalten die später die Aufgabe haben, anregende Geschichten in großer Runde zu erzählen. Mit diesem täglichen Ritual beginnt der „Höllenkreis der Manien“.
DVD/Blu Ray-Release: 25.09.2014 (EuroVideo Medien GmbH)
Salò o le 120 giornate di Sodoma
Drama
Land: Italien/Frankreich 1975
Laufzeit: ca. 89 min. (cut) – ca. 115 min. (uncut)
FSK: ab 18
Regie: Pier Paolo Pasolini
Drehbuch: Sergio Citti, Pier Paolo Pasolini
Buch: Marquis de Sade
Mit Paolo Bonacelli, Giorgio Cataldi, Umberto Paolo Quintavalle, Aldo Valletti, Caterina Boratto, …
http://www.youtube.com/watch?v=NKSsdxEpbB4
„Alles was Maßlos ist, ist gut“.
Viele Werke des italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini wurden als skandalös bezeichnet und halten diesen Status noch heute. Waren diese Skandale, auch gleich bei seinem Debüt Accattone – Wer nie Brot mit Tulpen aß, meist politischer Natur, bleibt seine letzte Arbeit Die 120 Tage von Sodom zwar auch politisch, aber im Vordergrund steht die sexuelle Gewalt als Leitthema.
Nach dem gleichnamigen Roman des Marquis de Sade, dem französischen Autoren pornographischer und kirchenfeindlicher Schriftstücke, die er im 18. und 19. Jahrhundert verfasste, gestaltete Pasolini seine gesellschaftskritische Orgie im späten faschistischen Italien. Im der nördlichen Republik Saló wirken die Nazis als Besatzungsmacht. Die Vertreter des untergehenden Regimes, welche sich der Hilfe der deutschen Soldaten bedienen, streben eine perverse Veranstaltung an, zu deren Zweck sie aus der Region jugendliche Männer und Frauen zusammentreiben, gar entführen lassen. Sie alle werden zu Beginn daran erinnert, dass sie sich „außerhalb der Realität“ befinden und sie niemand sucht, sich also keine Befreiung erhoffen können. Wer den Versuch wagt zu flüchten, wird mit dem Tode bestraft. Auf einem fürstlichen Anwesen müssen die jungen Menschen, fast noch Kinder, die sexuellen und machtbesessenen Spiele der alten Herren über sich ergehen lassen. Höllenkreise der Leidenschaft, der Scheiße und des Blutes heißen die drei Kapitel dieser seelischen und körperlichen Folter und verlangen dem Zuschauer einiges ab. Beginnend mit dreckigen Geschichten, erzählt von alten Huren, geht die Tyrannei bis zu Vergewaltigung und dem Essen von Kot, welcher bereits Tage lang sorgfältig gesammelt und aufbewahrt wurde. Eine Erlösung ist dabei nicht in Sicht und Protagonist sowie der Betrachter sehen einem finsteren Ende entgegen.
Es mag Filme geben deren Intensität, wegen ihres Alters, an Kraft und Eindrücklichkeit verlieren. Saló gehört definitiv nicht dazu, er entfaltete auch heute noch seine krasse Atmosphäre und wird beim leicht besaiteten Publikum für Ekel und Abscheu sorgen. Was macht diesen Film dann aber so besonders und lässt ihn immer wieder auftauchen? Die Geschichte ist prinzipiell so unvorstellbar, im Wissen das es jedoch Menschen mit extremen Neigungen gibt, ist es doch interessant als Unbeteiligter in sicherer Distanz, zu erfahren, wie eine solche Orgie aussehen könnte. Das Ethische und Moralische in uns sagt „Nein“, das Voyeuristische meint „Ja“.
Zwar wähnt sich Pasolini der Kritik am faschistischen System und hatte damit sicher auch Recht, werdend des Filmerlebnisses selbst denkt man daran aber kaum. Zu hart wirken die dargestellten Erniedrigungen und die permanente unflätige Dialogführung treibt selbst einem hartgesottenen Erwachsenen die Schamesröte ins Gesicht. Saló ist weder gut noch schlecht. Er bleibt Geschmackssache und durch die verschiedenen Sichtweisen und Interpretationen treibt sich die Schere zwischen den Meinungen, ob es sich um Kunst oder Schund handelt, weit auseinander. Ich persönlich empfehle diesen Film in meinen Kreisen gerne weiter, wenn ich die Person gut kenne und einschätzen kann ob sie dieses Werk verkraftet. Es ist wie das Gefühl etwas Schlechtes und Verdorbenes zu sehen, was so ansprechend an Pasolinis letztem Streifen ist. Er aktiviert Urinstinkte im Inneren und schafft es am Ende doch wieder die Unnatürlichkeit solcher Taten aufzuzeigen.
Nicht nur als Filmemacher war Pasolini bekannt. Er schrieb auch Gedichte und publizierte Aufsätze, oft geprägt von politischen Themen. Sein Tod 1975, im Entstehungsjahr von Die 120 Tage von Sodom, wurde durch einen Mord verursacht, dessen Umstände weitestgehend als mysteriös bezeichnet werden dürfen. Er Hinterließ ein Konglomerat an tiefgründigen Werken, die bis heute immer wieder zu Diskussionen führen.
In Deutschland erlebte der Film selbstverständlich einen Beschlagnahmungsmarathon und bis heute ist das Meisterwerk des schlechten Geschmacks hier zu Lande nicht in ungekürzter Form im Einzelhandel erhältlich. Auch die neue Veröffentlichung von EuroVideo bleibt beschnitten. Die drastische Darstellung von Schändungen, Folter und sexuellen Handlungen bleibt für die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien eine Opus non grata. Das ist freilich zu verstehen aber der Filmliebhaber nimmt sich nun mal das Recht heraus, einen Klassiker in voller Pracht sehen zu wollen.
Auf Blu-Ray und DVD im neuen Glanz erscheinend, muss man sagen dass die zensierte Fassung ihren Standpunkt und die Härte sehr wohl zur Geltung bringen kann. Wer dennoch auf die vollständige Version zurückgreifen möchte, kann das demnächst auch tun, denn diese wird in der Reihe Kino Kontrovers als Mediabook erscheinen und bei den einschlägigen Uncut-Plattformen im virtuellen Raum erworben werden können.