Seit 11.06.2015 auf DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.
Was könnte für einen Schauspieler mehr wert sein als ein Millionenpublikum? Für Riggan Thomson ist es als Mime in der Hochkultur Anerkennung zu finden. Die meisten Menschen kennen ihn als maskierten Superhelden aus der Filmreihe „Birdman“. Mit Blockbustern erobert man jedoch nicht den Feuilleton, sondern höchstens die Box Office Charts. Sein gefiedertes Alter Ego brachte ihn viel Geld doch nun möchte er den Ruhm. In einem kleinen New Yorker Theater bereitet er ein Bühnenstück vor bei dem er die Hauptrolle trägt und auch als Regisseur für die Inszenierung verantwortlich ist. Die Außenwelt betrachtet sein Projekt als wenig aussichtsreich, so schreiben ihm beispielsweise die Kritiker nicht das Talent zu, ein inhaltliches und darstellerisch anspruchsvolles Werk zu realisieren.
In Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) darf der Zuschauer seinen Protagonisten dabei zusehen wie der Druck vor der Premiere sie zur rasenden und emotionalen Verzweiflung führt. Allen voran steht natürlich Riggan der nicht nur mit seinen künstlerischen Gegnern Duelle auszufechten hat, sondern auch mit sich selbst. Ihm erscheint immer wieder sein zweites Ich, Birdman, der ihn von seiner Emanzipierung abhalten will. All diese Stimmen von Zweiflern, Geistern, Kollegen oder seiner Tochter treiben ihn langsam, aber stetig in den Wahnsinn.
Stroboskopisch werden ausgefeilte Dialoge in die engen Räume und Gänge des Theaters geschmettert. Die meist hektischen Menschen in diesem Spiel werden von der Kamera verfolgt, so dass man nicht von ihnen ablassen kann. Als Stilmittel bediente man sich langer Sequenzen, ohne sie mit Schnitten zu unterbrechen. Dies setzt eine akribische und minuziös koordinierte Arbeit am Set voraus und das Ergebnis ist beeindruckend. Birdman schafft es auf verschiedenen Ebenen zu agieren und dann insgesamt zu funktionieren. Das eine ist der technische Aspekt. Die Bilder erzeugen eine Unruhe wie sie hinter der Bühne eines Theater nur zu verständlich sind, denn hier kann zum Schluss nichts wiederholt werden. Akteure werden eifrig verfolgt und wieder vernachlässigt, allerdings nur um dem nächsten nachzujagen. Verkörpert sind diese von Darstellern, die sich mit ihren schrulligen Figuren gegeneinander aufheizen und doch wieder versöhnen. Das Drehbuch liefert Kommunikation wie aus dem Maschinengewehr mit einem beißenden Witz auf das Theater- und Filmbusiness.
Neben Emma Stone, Naomi Watts, Zach Galifianakis und Edward Norton steht Michael Keaton als gefallender Actionheld im Zentrum und spielt damit auch auf seine eigene Karriere an. Zweimal steckte er im Batmankostüm (1989 und 1992) und tatsächlich ging er mit den Jahren scheinbar verloren. Er war immer noch aktiv aber er verschwand in kleineren Rollen oder in weniger beachtenswerten Filmen. Nicht nur seine Rolle – Riggan Thomson – beweist seine künstlerische Kraft, auch Keaton vermag dies zu bewerkstelligen, obwohl er bereits vorher als ausgezeichneter Darsteller bekannt war. Über all dem thront ein minimalistischer Soundtrack der vom Schlagzeug dominiert wird und zur Hektik des Geschehens beiträgt.
Zwischen den aufgewühlten Passagen gibt es auch immer wieder Inseln der Ruhe, besetzt mit tragischen Momenten und Selbstzweifeln an Karriere und Daseinsberechtigung. Bis zum erwarteten skurrilen Ende hält Birdman auf Trapp und lässt alle Beteiligten in einem guten Licht glänzen. Neben dem handverlesenen Cast zeigt der mexikanische Filmemacher Alejandro González Iñárritu einmal mehr seine Gabe zur Inszenierung von Einblicken in die menschlichen Seelen auch wenn sich Birdman äußerlich sehr von seinen früheren Werken unterscheidet. Im Vergleich zu 21 Gramm und Babel gibt es humoristisches Potenzial, die anderen waren eher geprägt von ernster Dramatik und bedienten sich einer unaufdringlichen Thrilleratmosphäre.
Entstanden ist ein gelungenes Kammerspiel das sich nach und nach aus seinen Wänden befreit um die Welt zu stürmen und zu Offenbaren wer als Sieger aus dem inneren Konflikt hervorgeht: Riggan oder Birdman. Fantastisch.