The Final Girl – Von Anfang an.
Alles beginnt mit dem Mord an einer jungen Frau. Die Täter verlassen den Ort des Geschehens. Die Stimme einer Nachrichtensprecherin gibt dem Zuschauer die nötigen Hintergrundinformationen. Dann meldet sich eine Art Erzählerin aus dem Off zu Wort, die jemanden einzuschwören scheint:
„Die Zeit ist gekommen. Töte Kristy. Kristy bedeutet Anhänger von Christus. Tötest du Christus, dann tötest du Gott. Kristy ist hübsch, unschuldig und behütet. Finde sie, folge ihr, erkenne ihre Angst. Lass alle Teilhaben an deinem Werk. Gemeinsam sind wir stark. Sie sind schwach. Sie sind Kristy.“ Während dieser Ansprache sehen wir Bilder verwackelter Aufnahmen diverser Morde an jungen Mädchen und deren anschließende Veröffentlichungen in einem ominösen Internetforum. Schnitt.
Thanksgiving steht vor der Tür und die meisten der Studenten eines kleinen abgelegenen Colleges haben selbige schon durchschritten um die Feiertag im Kreise ihrer Familien zu verbringen. Nur Justine und ihre Freundin Nicole können/ wollen nicht die eigentlich übliche Heimreise antreten und die sturmfreie Zeit in der Uni zum intensiven Lernen nutzen. Dummerweise torpediert Nicole kurzfristig doch die Zweisamkeit und lässt Justine allein mit dem Wachpersonal und dem Hausmeister auf dem Campus zurück. Es folgen Szenen die uns zeigen sollen, dass Justine ihre Entscheidung nicht bereut und sich auch solo die Zeit vertreiben kann. Schwimmbad, Bibliothek und auch alle sonstigen Einrichtungen für sich zu haben, ist doch auch mal ganz lustig. Und so sehen wir sie durch die leeren Gänge toben, joggen, schwimmen, Fuß- und Baseballspielen. Da ist auch der Abschiedsschmerz vom neuen Freund schnell vergessen, zumal ihr Nicole auch noch ihr schickes Auto zur Benutzung dagelassen hat. Bei einer nächtlichen Ausfahrt zu Konsumzwecken beginnt dann allerdings das Unheil, das uns schlagartig wieder an den Beginn und das Genre des Films erinnert. Denn sie macht die Bekanntschaft mit einem Mädchen, das tief in seinen Kapuzenpulli getaucht, scheinbar nur darauf gewartet hat, dass jemand wie Justine ihr über den Weg läuft um sie aufs Korn zu nehmen. Das geht zunächst von verbaler Einschüchterung bis hin zur automobilen Verfolgung und Nötigung. Kann Justine anfänglich noch entkommen, ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Unbekannte mitsamt männlicher Verstärkung den leergefegten Campus invasiert.
Womit wir beim Thema wären. Kristy – Lauf um dein Leben ist ein Home-Invasion-Horror-Thriller, der das genreübliche Setting eines terrorisierten Einfamilienhauses weiterfasst und auf einen kompletten Campus verlagert. Sonst gibt es kaum Variation des bekannten Themas, außer vielleicht, dass der Zuschauer mit Justine lediglich einen Charakter geboten bekommt, um den es Angst zu haben gilt, da er sich einer Vielzahl an Eindringlingen gegenübersieht. Ein Grund übrigens, warum der Film in meinen Augen kein wirklicher Vertreter eines klassischen Slashers ist, auch wenn er gern als solcher bezeichnet wird. Denn schließlich besteht in dieser speziellen Spielart des Horror-Thrillers eigentlich immer das Unverhältnis von einem Täter zu multiplen Opfern, welches dieser dann aber immer mehr zu seinen Gunsten verschiebt.
In der Tradition von The Purge oder The Strangers ist bei Kristy allerdings von Anfang an klar, dass die Lage aufgrund der invasiven Übermacht aussichtslos ist. Oder eben auch nicht. Und hier liegt das größte Problem des Films. Denn ohne es zu wissen oder hier explizit spoilern zu wollen, hat man als Beobachter nie wirklich das Gefühl, dass Justine etwas passieren könnte und sie am Schluss die nächste Kristy werden würde. Denn schnell wird aus dem anfänglich als unsicher charakterisiertem Mädchen eine immer toughere junge Frau, die sich auch in brenzligen Situationen zu wehren weiß. Und so beißen zwar alle unwichtigen Nebenfiguren, wie das Wachpersonal, mit fortschreitender Handlung ins Grass, aber ein mögliches Ableben Justines wird immer unwahrscheinlicher. Aber wo bleibt denn dann die Spannung, wenn man letztendlich vorher schon weiß, wie das Gezeigte ausgeht? Diese versuchen die kreativen Köpfe hinter dem Projekt um Regisseur Oliver Donkey Punch Blackburn und Executive Producer Scott Sinister Derrickson mit den gängigen filmischen Instrumenten wie flackerndem Licht, schnellen Schnitten, einem treibenden Soundtrack und häufig eingestreuten auditiven Schockmomenten hochzuhalten, und dennoch will sich nie wirkliche Suspense und Atmosphäre einstellen. Da kann Hauptdarstellerin Haley Bennet als Alleinunterhalterin noch so glaubhaft aufspielen, die eindeutige Konzeption ihrer Rolle und des Films sowie sein levelartig-schematisches Voranschreiten lassen wenig Möglichkeiten für wirklichen Spannungsaufbau und neue Impulse für das Genre. Die abschließende und wenig zufriedenstellende Erklärung der Hintergründe für die Geschehnisse tut ihr übriges. Vielleicht wäre man besser gefahren, ganz auf dieses Minimum an Rahmenhandlung zu verzichten und sich auf die eigentliche Story zu konzentrieren.
Wen das nicht stört, der wird mit gängiger Standartkost belohnt, an der es produktionstechnisch wenig auszusetzen gibt und bei der aufgrund der kurzen Lauflänge auch nie zu sehr der Gedanke an verschwendete Lebenszeit aufkommt. Man sollte sich halt nur keinen zweiten The Strangers oder Funny Games erwarten, die auch nach Kristy – Lauf um dein Leben weiter fest auf dem Thron des neuzeitlichen Home-Invasion-Horror-Thrillers sitzen.
PS Nach dem Abspann kommt übrigens noch etwas. Also laufen lassen, aber genau wie beim gesamten Film nicht zu viel erwarten.