Ab 27.02.2015 auf DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.
Wenn Eltern ihr Kind verlieren, egal auf welche tragische Weise, so ist dies für sie mit Sicherheit das schlimmste aller vorstellbaren Szenarien. Der Verlust durch den unwiederbringlichen Tod bringt dabei eine bittere Gewissheit. Wird ein Kind aber entführt, ohne Anzeichen oder Spuren zu hinterlassen, so plagen die zurückgebliebenen besorgten Opfer, Ängste und düstere Fantasien um den Verbleib ihres Lieblings. Matthew und Tina passiert eben dieser Horror und sie werden ihrer zehnjährigen Tochter beraubt. Nach einem kurzen Aufenthalt in einer Bäckerei findet sie ihr Vater nicht mehr im Auto auf, wo er sie zurückgelassen hatte. Sie ist verschwunden. Der Verlust zerstört die Ehe des Paares und Tina, ebenso wie manch ein Polizist, unterstellen ihm Fahrlässigkeit und ansatzweise sogar die Beteiligung an der Entführung.
Der in Ägypten geborene Regisseur Atom Egoyan erzählt diesen Thriller auf fünf Zeitebenen: vor, während und nach dem Verschwinden des Mädchens. Eingeblendete Jahreszahlen weisen auf die Zeitsprünge hin und nach einiger Zeit wären diese gar nicht mehr nötig, denn man kann sich sehr gut in die Geschichten einfügen und sie episodisch gut unterscheiden. The Captive spart sich das Geheimnis um den Täter gleich zum Anfang aus und nimmt somit auch Matthew als Mitschuldigen für den rätselnden Betrachter aus dem Fadenkreuz. Der von der leitenden Polizistin vermutete kriminell-sexuelle Hintergrund bestätigt sich schnell, allerdings nicht so wie es sich alle Beteiligten je hätten vorstellen können.
Mit neuen Ideen geht das Script an das Thema heran und schafft interessante Parallelen zwischen den handelnden Charakteren. Durchweg wurden bekannte Mimen verpflichtet. Als Elternpaar verzweifeln Ryan Reynolds und Mireille Enos an der Ungewissheit um ihre Cass. Rosario Dawson und Scott Speedman ermitteln in dem verzwickten Fall und als Entführer macht Kevin Durand die vermutlich beste Figur im Cast. Wenn man dem Spannungsaufbau den finalen Gegner vorwegnimmt, ist es wichtig die Handlung mit alternativen Mitteln voranzutreiben. Dieses Problematik meistert Egoyan geschickt, indem er die herangewachsene Cass in ein perfides Beobachtungsspiel zwingt, das ihr Peiniger nutzt um sie unter Kontrolle zu halten und sie für seine Zwecke auszunutzen. Cass wurde zum unverzichtbaren Personal eines Kinderpornoringes indoktriniert und mit Versprechungen zum Gehorsam gezwungen. Ihre Rolle ist wohl die ausgefallenste und sicher auch die, in die man sich an wenigsten hineinversetzen kann. Sehr zuträglich für die kühle Atmosphäre erweisen sich die kalten und verschneiten Landschaften. Als Handlungsort wählte man die Umgebung der Niagarafälle, welche aber nur selten und wenn dann im Hintergrund zu sehen sind. Für mich ist eine winterliche Note zweifelsfrei schon einmal ein Garant für einen guten Film, aber eine geschickte Auflösung ersetzt das weiße Himmelsgold nicht.
Bei so vielen guten Anfängen kann dieser Film nicht mit einer gut verknüpften Auflösung glänzen. Zu schnell und zu emotionslos klären sich die Verstrickungen auf und nach dem starken Verlauf wird man mit einem sehr dünnen und unbefriedigenden Ende zurückgelassen. Es ist ärgerlich wenn das Konstrukt neunzig Minuten lang zu fesseln vermag und dann hurtig in zehn Minuten und mit zu konservativen Mitteln entzaubert wird. Womöglich möchte Atom Egoyan einer breiten Masse damit einen Gefallen tun aber das Happy End fühlt sich in diesem Fall nicht gut und dafür unpassend an. Auch die permanent unter Spannung stehenden Protagonisten haben keine Möglichkeit sich zu entladen und wenn dann passiert das eher unspektakulär. Das große Potential wurde wenig überzeugend umgesetzt und ein Film der zwar in den ersten zwei Dritteln alles richtig macht, ist schwer zu empfehlen wenn der Schluss nicht überzeugen kann.