Auf den ersten Blick sieht Jason Momoas VENDETTA RIDER – ROAD TO PALOMA wie ein handfestes Road Movie aus: Der junge Indigene „Wolf“ hat den Mörder seiner Mutter umgebracht und befindet sich auf der Flucht vor dem Gesetz. Um die Asche der Mutter an einem spirituellen Ort verstreuen zu können, begibt er sich mit seinem Motorrad auf die Reise durch die USA, um zu einem der Familie bedeutsamen See zu gelangen. Dort lebt mittlerweile seine Schwester mit Mann und Kind, Wolfs physische Reise wird so auch eine Reise in die Familiengeschichte und eine Suche nach seiner verloren geglaubten Identität.
Mit VENDETTA RIDER hat sich Jason Momoa (GAME OF THRONES) den Wunsch erfüllt, auch hinter der Kamera Fuß zu fassen – ein Sprung, den viele versucht haben, bei dem aber auch viele gestrauchelt sind. Momoa ging es schlau an, denn er wandte sich nicht gleich an die großen Studios, sondern produzierte seinen Film klein und unabhängig. Er selbst schrieb das Drehbuch, produzierte den Film, führte Regie, half bei der Auswahl der Musik, suchte die Drehorte aus, organisierte die Garderobe und übernahm nicht zuletzt die Hauptrolle. Das sichert ihm größtmögliche künstlerische Freiheit und mindert natürlich die Kosten. Sein Film ist ein Herzensprojekt und, wenn man Momoas Aussagen glaubt, mithilfe von Freunden und Freundesfreunden realisiert. Man merkt dem Film an, dass er mit Liebe gemacht ist, doch fehlt ihm ein wenig der Feinschliff.
Momoas Drehbuch hätte im Grunde durchaus das Zeug für eine vielschichtige Neuinterpretation des Genres. Die spirituelle Verwurzelung des Protagonisten in seinem Stamm, die Todesumstände der Mutter sowie die Gleichgültigkeit der Behörden gegenüber einem Mord in einem der Reservate hätten eine tiefgründige und glaubwürdige Vorgeschichte ergeben. Zu knapp werden diese Konflikte jedoch angeschnitten und doch gleich wieder fallen gelassen, als hätte Momoa beim Schreiben ein wenig das Vertrauen in seine Story verloren. Er selbst füllt die Figur des Wolf einfühlsam aus, immer wieder blitzt durch, dass er nicht nur den taffen Schläger, den barbarischen Khal Drogo, darstellen, sondern durchaus auch feinfühligere Charaktere tragen kann. Doch auch diese Fähigkeit traut er sich nicht so recht auszuspielen.
Jedoch weiß er, die Bildsprache des Road Movie einzusetzen. Sein Kameramann Brian Mendoza schafft es, an Edward Hopper erinnernde Stillleben einzufangen und eine melancholische Grundstimmung zu erzeugen, einen optisch ansprechenden Hintergrund für Wolfs Roadtrip. Die „on the road“ abfallende Last und das Freiheitsgefühl drängen sich in den mit reichlich Musik unterfütterten Motorradszenen ein wenig auf. Auch in den übrigen Szenen mag das Verfolgungsgefühl nicht so recht aufkommen, derweil sind zwei FBI-Agenten dem Flüchtigen dicht auf den Fersen. Hier lässt sich Momoa dazu hinreißen, eher einen Reisefilm in Urlaubsstimmung zu inszenieren und vernachlässigt die Konflikte seiner Figuren. Wolfs unausweichliches Zusammentreffen mit den Verfolgern kann das nicht mehr ganz herumreißen, der erwartbare Showdown gerät etwas pathetisch.
VENDETTA RIDER bleibt etwas unentschlossen, die wenig plastischen Figuren können die einzelnen Reiseepisoden nicht recht zusammenhalten. Hier hätte etwas inhaltliche Unterfütterung dem Script gut getan. Doch tut man dem Film Unrecht, wenn man ihn als flachen Genreabklatsch abtut. Jason Momoas Erstling erfindet das Road Movie nicht neu, lässt aber Potenzial erahnen, das sich mit etwas Feinschliff im nächsten Projekt sicher ausbauen lässt.
Vendetta Rider (OT: Road to Paloma), USA, 2014 – Regie: Jason Momoa. Drehbuch: Jason Momoa. Kamera: Brian Mendoza. Darsteller: Jason Momoa, Robert Homer Mollohan, Lisa Bonet, Lance Henriksen. Produktion: Boss Media, Pride of Gypsies. Deutscher Verleih: Ascot Elite. 91 Minuten. Heimkino-Start: 26. August 2014.