Interview mit Toby Jones

Hier nun der zweite Teil unseres Interviews, anlässlich zum Kinostart von Berberian Sound Studio im Jahr 2013. Im Interview mit Toby Jones, werden Fragen zur Wahrnehmung der Figur Gilderoy und desen Entwicklung und ob ein solcher überhaupt sein Publikum findet.



Leider gingen im Laufe der Zeit die Audiofiles verloren, aber das hindert uns nicht daran, euch dieses äußerst informative Interview zu präsentieren. Auch im Zuge des 10-jährigen Jubiläums von BSS.


Udo Rotenberg: Ich sah sie zuletzt häufig in populären Filmen wie „Hunger Games“ oder „Red Lights“, den ich mochte und wo sie den Gegenspieler von…

Toby Jones: Robert De Niro?

U.R.: Das auch, aber mehr von Sigourney Weather. Sie glaubten als Wissenschaftler an übernatürliche Dinge, sie dagegen sah in allem nur die Realität. Diese Filme sind sehr verschieden im Vergleich zu „Berberian Sound Studio“ – welche Art von Filmen bevorzugen Sie oder spielt das keine Rolle?

T.J.: Ich weiß, dass Ihnen klar ist, dass für jeden Schauspieler zuerst das Drehbuch entscheidend ist. Nachdem ich drei Seiten gelesen hatte, habe ich es geliebt. Es ist die Art Film, die ich in meiner Jugend sah – ich hätte nicht gedacht, dass so etwas noch gemacht wird. Es ist ein Film über den Film, und über einen Außenseiter, der das System und die Kultur nicht versteht. Symptomatisch dafür ist die Stille – ich wollte den Film einfach machen!

Manchmal fühlt man sich bei den großen Filmen wie in einer anderen Welt, getrennt vom normalen Filmgeschäft, als kleiner Teil einer Massenveranstaltung mit enormem Budget und großem Projektaufwand. Hier dagegen war alles zu Händeln und man ist in jede Entscheidung eingebunden. Das ist eine ganz andere Art zu arbeiten. Ob ich es bevorzuge? – Ja, obwohl ich meinen Job auch wegen der Kontraste liebe, aber hier war es mehr wie beim Theater.

U.R.: Sie haben solche Filme in den 70er und 80er Jahren gesehen?

T.J.: Ja.

U.R.: Italienische oder englische Filme?

T.J.: Ich denke, es waren Filme, die besonderen Wert auf die Erzählform legten. Sie spielten damit, wie David Lynch in seinen Filmen. Ich mag diese Filme, weil sie alle Elemente des Kinos – Klang, Licht, auch die unterschiedlichen Genres – nutzten, um damit ganz neue Stories zu entwickeln.

U.R.: Ich las einige Kritiken zu dem Film, in denen behauptet wurde, er hätte keine richtige Story. Ich teile diese Meinung nicht, denn auch wenn der film nicht über typische Action-Elemente verfügt, zeigt er in der Entwicklung ihrer Figur eine persönliche Geschichte. Zuerst wirkten sie ängstlich – ich mag die frühen Szenen – wenn sie zu der Sekretärin gehen, um mit ihr zu sprechen. Sie dagegen wirkt so, als würde sie mit einem Mann wie Ihnen normalerweise nicht reden – sehr witzig.

T.J.: Ich denke, beim Spielen benötigte man ein intensives Empfinden für die Story. Ich fühlte deren Qualität, wie bei einem Gedicht, spürte – 1,2,3,4,5 – deren Linearität. Auch meine Vorstellung von den inneren Geheimnissen war ganz klar. Natürlich ist es witzig, sich die Vorstellung von einem Film zu machen, der nur im Gehirn stattfindet, der sich in verschiedene Richtungen entwickeln kann bis zum mentalen Zusammenbruch – gespielt habe ich es, als ginge ich auf eine Reise.

U.R.: Drehten sie die Szenen in der abschließenden Reihenfolge oder in unterschiedlicher Form?

T.J.: Ja, das ist normal – ich hatte in meinem Ankleideraum eine lange Karte, um zu sehen, an welcher Stelle wir gerade sind, aber ich hatte immer ein genaues Gefühl für die aktuelle Entwicklung.

U.R.: Die Basisidee des Films ist, wie uns Peter erzählte, der Sound – viele Szenen des Films haben damit zu tun. erst in unseren köpfen entstehen die Bilder, so dass sie bei jedem Betrachter verschieden sind. Was sie selbst überrascht, als sie das Ergebnis sahen. Im Vergleich zu uns Zuschauern sehen sie Bilder, die wir nicht sehen – wir sehen nur ihr Gesicht, während sie den Film sehen.

T.J.: Ob ich überrascht war?

U.R.: ja, vom vollständigen Film.

T.J.: Alle Filme sind überraschend, aber die Idee, dass man den Film als Zuschauer nicht sieht, gefiel mir besonders. Vor 10 Jahren arbeitete ich im Theater mit einem Klangkünstler zusammen, der den Sound zu meinen Erzählungen machte. Wenn ich sagte, dass ich jetzt mit einem Auto ankomme, erzeugte er mit einem Ball und Steinen einen Klang, der dem Publikum ermöglichte, die Bilder vor Augen zu sehen. Ich mag es, wie Peter diese Welt als Synonym für andere Dinge nimmt – Gemüse wird zu Mord, ein Wald entsteht aus wenigen Blättern – es sind Dinge unterschiedlicher Maßstäbe.

U.R.: Es gibt eine Szene, in der Melonen zerstört werden, dass es klingt, als würde ein Mensch erschlagen. Tatsächlich waren es keine Melonen, sondern doch Fleisch, das diesen Klang erzeugte.

T.J.: Ist das wahr?

U.R.: Peter erzählte davon in einem anderen Interview

T.J.: Ja, Peter ist Vegetarier (lacht)

U.R.: Glauben Sie, der Film erreicht viele Zuschauer oder ist er mehr für speziell Interessierte?

T.J.: Ich denke, es wird schwierig, denn beim Spiel mit den Genres ist es nicht leicht genügend Zuschauer zu finden. Für die Filme, die ich mag, braucht es Monate, oft Jahre, um genügend Interessierte zusammen zu bekommen. Ich bin gespannt, aber es ist ein Film, über den die Leute sprechen und nachdenken. Wir werden sonst so stark von Hollywood dominiert und dem Ergebnis des ersten Wochenendes – das ist keine Kultur.

U.R.: Wir mögen „Berberian Sound System“ und wollen darüber sprechen, auch im Radio, auch gerade, weil er unterschiedliche Genres miteinander verbindet – dazu der Sound, Erinnerungen an die 70er Jahre und die italienischen Filme und Stories. Mich interessiert das italienische Kino besonders?

T.J.: Giallo?

U.R.: Nicht nur, sondern die gesamte Bandbreite seit dem Neorealismus der 40er Jahre – Antonioni, Fellini…

T.J.: Mein Vater spielte in einem Fellini-Film: „E la nave va“ (Schiff der Träume, 1983) – er war der Clown.

U.R.: Sieht er Ihnen ähnlich?

T.J.: Ja, aber er ist größer (lacht)

U.R.: Im Kino ist das nicht entscheidend, viele sind überrascht, wenn sie Schauspieler in der Realität sehen. In Peters Film erkennt man aber den Größenunterschied zu Ihnen.

T.J.: Ja, zu den italienischen Jungs. Es ist wirklich komisch – das Englische im Vergleich zur italienischen Dekadenz, der Sexyness oder dem Essen

U.R.: meine abschließende Frage noch – was haben Sie als nächstes vor?

T.J.: Aktuell spiele ich Theater, filme am neuen „Captain America“, dazu kommt noch „Serena“, ein Film mit Bradley Cooper und Jennifer Lawrence, und arbeite demnächst an einem Ken Loach artigen Film „Leave To Remain“

U.R.: Danke für das Interview.