Der Sicherheitsbeamte des örtlichen Leichenschauhauses rennt nachts panisch aus dem Gebäude und weiter durch den nahe gelegenen Wald, bevor er von einem Fahrzeug auf der Landstraße erfasst und schwer verletzt wird. Der ermittelnde Polizei-Offizier Jaime Peña (José Coronado) rückt mit seinem Team an und muss feststellen, dass eine der Kühlkammern geöffnet wurde und die Leiche von Mayka Villaverde (Belén Rueda) fehlt, einer erfolgreichen Geschäftsfrau, die kurz zuvor einem Herzinfarkt erlegen war. Da der ohnmächtige Wächter nicht befragt werden kann, wird Mayka Villaverdes Ehemann Álex Ulloa (Hugo Silva) an den Tatort geholt – aus Sicht des Kommissars der Einzige, der von dem Verschwinden der Leiche profitiert.
Leichen die plötzlich verschwinden und ein Wächter, der beinahe in den Tod rennt, klingen nach übernatürlichen Ereignissen – ein Eindruck, der sich im Leichenschauhaus noch verstärkt, denn Álex Ulloa wird dort zunehmend mit seinem scheinbar perfekt geplanten Mord konfrontiert. Er hatte seiner Ehefrau ein Mittel in den Rotwein geträufelt, das einen Herzinfarkt bewirkt und nicht nachgewiesen werden kann. Doch während er den Verdacht des Kommissars, er hätte die Leiche vor der pathologischen Untersuchung verschwinden lassen, zu entkräften versucht, liefert ein Unbekannter von Außen Beweise für seinen Mord. Darunter ein Fläschchen mit dem tödlichen Gift, das die Polizei prompt bei ihm findet und damit ihren Verdacht bestätigt sieht. Doch wer außer seiner angeblich toten Ehefrau wusste von seinem Plan und konnte diese Indizien liefern? – War sie doch nicht tot, sondern revanchierte sich auf perfide Art und Weise?
Das „El cuerpo“ (The Body) das Etikett „Mystery“ angeheftet wurde, lag nahe, spielte der katalanische Regisseur Oriol Paolo in seinem ersten Kinofilm doch bewusst mit den Klischees spanischer Horror-Thriller. Zuvor hatte er das Drehbuch zu dem Horrorfilm „Julia’s eyes“ (2010) geschrieben, ebenfalls mit Belén Rueda in der Hauptrolle, die schon „Das Waisenhaus“ (2007) mit ihrer erotisch geheimnisvollen Präsenz bereicherte. Ihr Körper ist es, der zu Beginn aus dem Leichenschauhaus verschwindet, aber die von ihr gespielte Mayka bleibt höchst lebendig in „El cuerpo“, denn in Rückblenden setzt der Film einen weiblichen Charakter zusammen, der nicht nur selbstbewusst, ehrgeizig und lebensfreudig ist, sondern auch machtbewusst und dominant. Ihr ist zuzutrauen, dass sie wieder von den Toten aufsteht, um sich an ihrem treulosen, mehr als ein Jahrzehnt jüngeren Ehemann Álex zu rächen, der sich in eine seiner Studentinnen (Aura Garrido) verliebt hat.
„El cuerpo“ gelingt das Kunststück, einen klassisch anmutenden, geradlinigen Kriminalfilm aufzubauen, der ohne konkrete parapsychologische Anspielungen oder übernatürliche Ereignisse auskommt, trotzdem aber den „Mystery“ -Charakter transportiert. Zu Verdanken ist diese widersprüchliche Wahrnehmung dem Spiel von José Coronado, der als konsequent rational vorgehender Ermittler nicht an wieder auferstandene Tote glaubt, sondern die Behauptungen des Verdächtigen für billige Ablenkungsmanöver hält. Im Gegensatz zu ihm wird der Betrachter aber Zeuge von den konkreten Anspielungen auf den von Alex zuvor begangenen Mord an seiner Gattin. Es entsteht ein Spiel mit dem zunehmend verunsicherten Mann, dessen Freundin und Mitwisserin Carla offensichtlich selbst in Lebensgefahr gerät. Und was hatte die Panik bei dem Wächter ausgelöst?
Ausgehend von dem Dialog zwischen Polizist und Mordverdächtigem strickt der Film geschickt eine Handlung aus Rückblenden, bildlich umgesetzten Theorien und gegenwärtigen Vorkommnissen, die nicht nur ein dichtes Bild der Ehe von Mayka und Álex sowie seiner Liebesaffäre mit Carla entstehen lassen, sondern auch eine Vielzahl an Lösungen – reale wie irreale – ausloten. Auch den Kommissar selbst plagen Gespenster seiner Vergangenheit, die sein Urteilsvermögen scheinbar beeinflussen. „El cuerpo“ beweist, dass weder Brutalitäten, noch billige Schockeffekte notwendig sind, um eine äußerst spannende Story zu entwickeln, die zudem mit einer logischen Lösung aufwartet, die selbst im Detail nicht oberflächlich bleibt. Regisseur und Drehbuchautor Oriol Paolo bereichert mit seinem Film die Reihe der spanischen Horror- und Mystery-Thriller, obwohl er sie gleichzeitig auf eine nachvollziehbare, rationale Struktur dekonstruiert.