The Purge – Anarchy ✍

Was wäre wenn? Wenn es eine Nacht im Jahr gäbe, in der alle Verbrechen erlaubt sind und auch keinerlei Polizei oder Ärzte etc. zu Verfügung stehen würden. Dieser durchaus interessanten Frage stellte sich erst im letzten Jahr der Independent-Hit The Purge, mit Ethan Hawke und Lena Headey in den Hauptrollen. Die Antwort hieß: eine Verbrechensquote nahe dem Nullpunkt und kaum Arbeitslosigkeit. Zumindest wurde dies von Regisseur James DeMonaco so behauptet. Ob der Film jedoch wirklich als Sozialkritik ernst genommen werden konnte bzw. die Grundidee nun glaubwürdig und unglaubwürdig ist, wurde in nicht wenigen Foren heiß diskutiert. Selbst wir vom DRR sind uns da untereinander nicht ganz einig. Nichtsdestotrotz spülte das Filmchen gut Geld in die Kasse, weshalb die logische Konsequenz ein Sequel war, welches nun, nur ein Jahr später, in die Lichtspielhäuser kommt. Wieder heißt es „alle Verbrechen sind erlaubt“, doch die Qualität des Ganzen ist nicht mehr die Gleiche.


The Purge: Anarchy
erzählt erneut von einer Purge-Nacht in Amerika. Mit dem Vorgänger hat der Film, außer seiner Grundidee und dass die Geschehnisse  genau ein Jahr später ansetzten, nichts mehr gemein. Sprich auch ohne das Original zu kennen, kann man dem Handlungsverlauf problemlos folgen. Diesesmal geht es dorthin, wo sich The Purge abspielt, nämlich auf die Straßen von Amerika. Während sich die Handlung des Vorgängers fast ausschließlich in einem Haus zutrug, welches einem Händler von Sicherheitsanlagen gehörte, in dem eine Horde von Purgern einbricht, nachdem die Familie einem Purge-Opfer Schutz anbietet, ist bei der zweiten Nacht davon nichts mehr zu sehen. Anarchy, so der reißerische Untertitel des Ganzen, erzählt von einigen Menschen und wie sie die fragwürdigen Stunden erleben. Hauptsächlich geht es dabei um ein junges Pärchen, welches es nicht mehr pünktlich ins sichere Heim schafft und sich somit durch die heißesten Gebiete der Stadt schlagen muss. Dabei treffen sie u.a. auf eine lateinamerikanische Familie und auf einen Jäger, der sie vor einer Bande Purge-affiner Jugendlicher beschützt. Später kommen dann noch ein paar Kämpfer der Rebellion dazu, welche sich entschieden gegen den Purge-Ritus stellen, der aus ihrer Sicht nichts mit den angeblichen Zielen der Politik zu tun hat.

Wie schon im ersten Teil, versucht DeMonaco auch hier wieder alle möglichen und unmöglichen Auswirkungen solch einer Regelung in seinem Film zu verarbeiten. Die Säuberungsgelegenheit gilt als Befreiung für Amerika von der Gewalt, als die eine Nacht, in der sich die Menschen von ihren inneren Dämonen lossagen und wahllos morden können, um danach in Frieden zu leben. Aber auch als Nacht in der sich Amerika vom Balast befreit, welcher vor allem in der Armut gesehen wird und den Menschen, die es sich nicht leisten können, für ihre Sicherheit zu bezahlen. Die Fragwürdigkeit des Ganzen ist dabei spürbar präsent, vor allem dann, wenn sich die Reichen für ihre ganz private Säuberung arme Menschen „kaufen“, die sich dann für Geld (für ihre Angehörigen) freiwillig ermorden lassen.

Es ist eine perverse Welt, die uns hier aufgezeigt wird und die man als normal denkender Mensch wohl nie erleben möchte. Leider schafft es der Regisseur jedoch erneut nicht, seine zahlreichen Kritikpunkte in ein glaubwürdiges Ganzes zu verpacken. Viele Fragen bleiben auch hier offen. Z. Bsp. die Frage ob die Menschheit wirklich so friedlich mit einander leben kann, wenn sie sich einmal pro Jahr von ihren Aggressionen „befreit“, wird auch von The Purge 2 nicht nachvollziehbar beantwortet werden. Wie soll das bitteschön gehen, wenn man in dieser einen Nacht erkennen muss, mit was für grausamen Mitmenschen man es eigentlich zu tun hat? Denn eine zerstörerische und menschenverachtende Denkweise legt der Mensch sicher nicht dadurch ab, weil er einmal jährlich so richtig die Sau rauslassen kann. Darauf und auf so viele andere Fragen bleibt uns die Antwort leider fern. Klar, dies ist nicht leicht, doch wenn sich ein Regisseur genau dieser Fragen annimmt, darf man den gewissen Versuch einer Klärung durchaus erhoffen.

Von daher sollte man auch bei The Purge 2 versuchen lediglich den Unterhaltungsaspekt zu betrachten. Und dieser kann sich auch dieses mal durchaus sehen lassen, wenngleich er anders aufgedröselt ist, als beim Vorgänger. Wo der vor allem durch eine spannende und atmosphärisch inszenierte Handlung zu überzeugen wusste, bei der auch Versatzstücke von Home-Invasion-Thrillern und gewisse Horrorelemente nicht fehlten, ist The Purge 2 eher ein reinrassiger Actionthriller der harten Sorte geworden. Blutige Schießereien und nicht wenige harte Mordszenen liefern vor allem Freunden bleihaltiger Ballereien so manch absehbaren Moment. Zudem können auch die leer-gefegten Straßen, in denen sich nicht wenige mordlustige Purger breitmachen und auf Opferjagd gehen, für eine gewisse Atmosphäre sorgen.

Leider entschied man sich jedoch, die Laufzeit des Vorgängers, welche mit 85 Minuten zwar kurz, aber doch genau richtig war, auf unnötige 105 Minuten aufzuplustern, was im Ergebnis leider stellenweise etwas Leerlauf bedeutet. Vor allem zu Beginn will das Gezeigte kaum in die Gänge kommen und auch zwischendurch erlaubt sich das Treiben den ein oder anderen deutlich spürbaren Durchhänger. Und auch das Fehlen jeglicher bekannter Gesichter ist irgendwie schade. Wenigstens die mitunter merklich klaffenden Logiklücken von The Purge, welche bei vielen damals zu den größten Kritikpunkten zählten, wurden hier etwas verkleinert, was aber auch am Verlegen der Handlung auf die Straße liegen mag.

Alles in allem ist The Purge 2 somit ebenfalls kein glaubwürdiger Vertreter sozialkritischer Filme geworden, auch wenn die Grundidee noch immer ihren gewissen Reiz hat. Inhaltlich heißt es dieses mal zudem mehr Action, denn Thriller und weit weniger Nervenkitzel als beim Horror at Home-Thriller des letzten Jahres. Mit einem gewissen Unterhaltungswert kann jedoch auch The Purge: Anarchy aufwarten, so dass man letztlich mit einem vielleicht nicht befriedigtem aber auch nicht sonderlich enttäuschten Gefühl aus dem Film geht. Und da der Rubel auch bei diesem Streifen zu rollen scheint, wird uns wohl auch ein dritter Säuberungsfilm nicht verwehrt bleiben!